Eulenpfote

<< Lager

Ich wagte mich kaum zwei Schritte von meiner Mutter zu entfernen, während der Regen auf uns herabprasselte und Donner die Unruhe in mir schürte. Mit piepsiger Stimme rief ich nach Basilikums Namen.
"Bitte, bitte komm einfach aus dem nächsten Busch gekrochen, damit wir wieder zurück können", flehte ich innerlich und blinzelte die Wassertropfen aus meinen Augen. Es wurde immer anstrengender, ein klares Bild vor sich zu erkennen.

Mich eng an meine Mutter haltend lief ich der zweiten Anführerin nach.

>> Eule und Rabenschwinge Versammlungsmulde

Ich sah von meiner Mutter zu der zweiten Anführerin und brauchte einen Moment um zu verstehen, worum es ging. Ich hatte mich eigentlich auf mein warmes Nest gefreut und darauf, vielleicht Distel in meinen Träumen wiederzusehen. Doch nun sah es so aus, als würde ich mich nochmal in den Regen hinauswagen müssen.
"Natürlich, ich helfe gern", antwortete ich artig und drückte mich schutzsuchend an meine Mutter, als ein Donnern die Luft erzittern ließ.

<< Große Wiese

Ich kam ins Lager geschlittert und schüttelte mein nasses Fell. Fast wäre ich in Zitronenfluss hineingelaufen. Schüchtern sah ich zu ihr hoch.
"Entschuldigung", murmelte ich.

Ich nickte und hielt das sofort für eine gute Idee. Wortlos folgte ich meiner Mentorin und versuchte, nicht abgehängt zu werden, wobei ich aufpassen musste nicht auszurutschen.

>> Lager

<< Lager

Flechtenregen blieb stehen und ich sah mich aufmerksam an dem Ort um. Hier roch es nach Familie, nach Blitzclan, und es war viel Platz zum Laufen und im hohen Gras konnte man sich gut verstecken. Bei ihrer Frage zwang ich mich, meiner Mentorin besser zuzuhören. Ich überlegte schnell.
"Ähm... Kaninchen, oder?", fragte ich mehr, als dass ich antwortete. Im Lager gab es oft Kaninchen beim Frischbeutehaufen, deswegen schlussfolgerte ich das daraus. Außerdem wusste ich von Mama, dass der Blitzclan bekannt dafür war, schnell und ausdauernd zu laufen, was neben Wendigkeit notwendig war für das Jagen von Hasen. Ich spürte einen schweren Regentropfen auf meiner Nase und verwundert sah ich nach oben. Vor lauter Aufregung, das Lager das erste Mal verlassen zu haben, hatte ich nicht auf den Himmel geachtet, sondern mehr auf den Weg, und nun bemerkte ich, dass schwere, graue Wolken aufgezogen waren. Noch ein Tropfen platschte auf mein Fell. Ich schüttelte den Kopf und nieste, weil mich das Wasser an den Schnurrhaaren kitzelte. Heute Morgen war es noch schön gewesen. Ich sah Flechtenregen unsicher an, während der Regen nach und nach stärker wurde.

Unsicher und mit gebührend Abstand folgte ich Flechtenregen aus dem Lager, meine Gedanken waren immer noch bei dem Traum, den ich von Disteljunges gehabt hatte.

>> Große Wiese

Ich sah meine Mentorin verwirrt an. Nun war ich zwar noch nicht lange Schülerin, jedoch war es mir neu, dass Schüler sich aussuchen durften, was sie lernen wollten.
"Ähm..." Ich war ratlos.
"Vielleicht Jagen?", fragte ich zögerlich und sah Flechtenregen unsicher an. Mit dem Herz und auch mit dem Kopf war ich nicht ganz bei der Sache. Doch wenn Flechtenregen trainieren wollte, durfte ich ihr nicht widersprechen. Wie in weiter Ferne hörte ich Disteljunges' Worte. Er wollte das ich glücklich wurde, doch war ich das?

Ich schreckte hoch, als mich Flechtenregen ansprach.
"Ich...", begann ich schüchtern und sah unsicher zu der Kätzin hoch. War ich denn schon Schülerin? Im Grunde war ich nie offiziell ernannt worden. Allerdings hatte Flechtenregen etwas unheimliches an sich, sodass ich mich nicht traute, ihr zu widersprechen.
"Okay...", murmelte ich schließlich und fragte mich heimlich, wie sie nur schon über Disteljunges' Tod hinweg sein konnte. Oder konnte sie es nur gut verstecken?

Ich starrte Disteljunges schockiert an. Ich sollte ihn vergessen? Wie stellte er sich das vor? Das ich nun einfach aufwachen und mich an nichts mehr erinnern würde? Seine Naivität und der Glaube, dass er es besser wüsste, was gut für mich war und was ich verdient hatte, machte mich wütend.
"Du bist ein Mäusehirn. Das warst du schon immer!", fauchte ich, um meiner Frustration Ausdruck zu verleihen. Dann wurde mein Blick schwer und traurig. Ich spürte, wie eine unsichtbare Kraft begann an meinem Fell zu ziehen und mich forttragen wollte. Fort von hier und von Disteljunges.
"Nein... Ich will nicht von hier weg...", miaute ich kläglich, konnte es aber nicht verhindern, dass ich aufwachte.

>> zurück ins Lager? (Außer Distel will noch was sagen was ne Antwort erfordert :))

Ich hörte Disteljunges' Stimme ganz nah bei mir und ein wohliger Schauer fegte durch mein Fell. Alles kribbelte. Alles fühlte sich echt an. Real. Und doch war alles eine Lüge. Ich zitterte, denn plötzlich war mir kalt, obwohl ich innerlich eine Wärme spürte. Wie konnte einem innerlich warm und gleichzeitig äußerlich kalt sein? Distels Worte rührten mich und ich sah in seine verräterisch glänzenden Augen. Noch nie hatte ich eine Kater eine Träne vergießen sehen, schon gar nicht wegen mir. Aber wie denn auch, ich war gerade einmal aus dem Jungenalter in das Schülersein gerutscht, meinen Vater kannte ich nicht und meine männlichen Baugefährten - Disteljunges eingeschlossen - waren so zäh und heldenhaft gewesen, wie nur ein Kater, der bloß nicht verweichlicht wirken wollte, sein konnte. Nun stand genau so ein Kater vor mir, und er zeigte Gefühle, für mich. Ich schluckte.
"Ich bin nicht stark. Ich bin viel zu sensibel, um Kriegerin zu sein!", behauptete ich und würde mir das auch nicht ausreden lassen. Plötzlich fühlte ich mich für mein Alter viel zu reif. "Wie soll ich mein Leben nach diesem Treffen hier genießen können?", fragte ich mich, sprach es jedoch nicht aus, da ich nicht wollte, dass Disteljunges sich wegen mir schlecht fühlte.
"Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll. Das fühlt sich wie ein Abschied an. Ein zweiter Abschied, sozusagen. Ein richtiger." Meine Stimme war nur noch ein Murmeln und ich starrte wieder auf meine Pfoten.

Ich spürte Distels warme Zunge über meinen Kopf streichen und fing automatisch zu schnurren an. Auch merkte ich, wie sich seine Muskeln unter meiner Berührung langsam zu entspannen begannen, und wunderte mich gleichzeitig, wie gut und echt sich das hier alles anfühlte, obwohl es das niemals sein konnte. Er war tot. Disteljunges war tot und das hier war nur ein Traum. Ich löste mich von ihm, als mir erneut Tränen in die Augen stiegen, und sah ihn ängstlich an, weil das, was ich sagen wollte, ihn vielleicht wieder dazu bringen würde, mich anzuschreien.
"Ich denke, ich will gar keine Schülerin sein... Die anderen Schüler sind ohnehin alle doof und ohne dich..." Ich verstummte.
"Ich hab nicht das Zeug zu einer Kriegerin." Ich seufzte und knetete das überraschend weiche Gras mit meinen kleinen, schmalen Pfoten. Schüchtern schaute ich zu Boden.
"Ich weiß, du wirst es mir glauben, aber ich mag dich, Disteljunges. Sehr. Und bevor du etwas sagst wie, ich bin bloß ein doofes Junges, dass nicht weiß, wie sich so etwas anfühlt, sag ich dir, dass das doch geht. Und ich weiß nicht, wieso ich dir das jetzt sage, vielleicht, weil ich einfach immer zu feige war und mich geschämt habe. Und jetzt bist du ... tot." Meine Stimme brach.
"Ich dachte nicht, dich schon so bald wiedersehen zu können und ich will nicht noch eine Chance an mir vorbeiziehen lassen, ohne dir das gesagt zu haben..." Nun verstummte ich ganz und in mir stritten sich die Gefühle, ob ich lieber vor seiner Antwort aufwachen würde, oder einfach für immer hier bei ihm bleiben wollte.

Ich hatte Angst vor Disteljunges' Reaktion und davor, ihm wieder in die Augen zu blicken, als ich überraschend die Worte hörte, nach denen ich mich gesehnt hatte. Erstaunt sah ich nun doch wieder zu ihm hoch.
"Das tust du?", fragte ich ungläubig nach und sprang dann ohne nachzudenken einen Satz nach vorn, um mich haltsuchend an sein mit Sternen bedecktes Fell zu drücken und seinen vertrauten Duft einzuatmen.

Es beruhigte mich zu wissen, dass ich noch lebte, auch wenn es den Schmerz nicht linderte. Dass Disteljunges mich sehen wollte, wie er sagte, rührte und verwirrte mich in einem Zug. Ich sah ihn unsicher an.
"Du ... wolltest mich sehen?" Flechtenregens Wurf war mir nie geheuer gewesen, vor allem Geisterjunges nicht, doch Distel war mir immer der liebste gewesen. Obwohl er der Unfreundlichste und Abweisendste aus dem Wurf war. Aus irgendeinem Grund hatte er mich immer angezogen und Angst hatte sich mir Faszination für diesen Kater abgewechselt. Nun war er tot und ich würde nie erfahren, was aus uns geworden wäre - wenn es ein "uns" überhaupt jemals gegeben hätte.
Als er mich so unwirsch anfuhr, zuckte ich leicht zusammen.
"Ich ... ich wollte mit dir gemeinsam Schülerin werden!", gab ich etwas patzig zurück.
"Du ... du warst mein Freund - auch wenn du das vielleicht nicht so siehst. Du warst zumindest 6 Monde lang mein Baugefährte! Ich fand es unehrenhaft an dem Tag deines ... deines..." Ich schluckte und schüttelte den Kopf, Tränen traten mir in die Augen.
"Ich vermisse dich...", traute ich mich schließlich zu flüstern und wandte beschämt und traurig zugleich den Blick ab.

"Sternenclan?!" Ich starrte ihn weiterhin entsetzt an.
"Heißt das etwa, ich bin tot?!" Erschrocken darüber versuchte ich mich daran zu erinnern, was geschehen war und wieso ich nun hier war. Und was hieß das, er hätte mich zu sich gerufen? Ich verstand gar nichts mehr.
"Wie ... ist es im Sternenclan? Und ... wieso hast du mich gerufen?", fragte ich mit zittriger Stimme.

<< Lager

Ich schlug die Augen auf und erwartete, wieder in meinem Nest in der Kinderstube zu liegen, doch befand ich mich irgendwo auf einer grünen Wiese. Das war der Moment, wo ich realisierte, dass ich wohl immer noch träumte. Nur dass sich dieser Traum anders anfühlte als bisherige. So viel realer und bedeutungsschwerer. Ich drehte mich im Kreis und entdeckte eine kleine Katze in meinem Alter. Bei dem Anblick stellte sich mir das Fell zu Berge.
"Disteljunges?", fragte ich ungläubig und wusste nicht, was das zu bedeuten hatte.

Nach einer Weile spürte ich, wie mich der Traum langsam einholte und wie eine Welle fortspülte. Ich ließ mich einfach tragen, unwissend, dass ich gleich eine völlig neue Welt betreten würde.

>> Traumbereich SternenClan

Die Patrouille brach zur Großen Versammlung auf und ich trottete, den Schweif über den Boden schleifend, zurück in die Kinderstube. Obwohl ich mich eigentlich schon zu groß dafür fühlte und in meinem Gefühlszustand auch nicht die anderen Jungen um mich haben wollte, weigerte ich mich dagegen, im Schülerbau zu schlafen, ehe ich nicht offiziell ernannt worden war. Und schließlich hatte ich um einen Aufschub gebeten. In dem hintersten Nest, möglichst weit entfernt vom Eingang, rollte ich mich zu einer Kugel zusammen und schluchzte mich leise in den Schlaf.

Eule stirbt bei der Überschwemmung.

Ich keuchte vor Anstrengung, weil ich so schnell gelaufen war und wartete darauf, gleich von Disteljunges angesprungen zu werden, als dies jedoch nicht geschah, erlaubte ich es mir, langsamer zu werden und mich vorsichtig umzudrehen - gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie er auf die Nase fiel und sich wieder aufrappelte. Ohne es zu wollen kam mir ein jungenhaftes Kichern aus und ich tappte, wieder mutiger, auf meinen Baugefährten zu.
"Du hast da noch etwas Schnee", grinste ich und wischte ihm mit meinen Schwanz über den Kopf.