RE: Traumbereich - 5

Ich spürte, dass sich etwas verändert hatte. Keine Dunkelheit umgab mich mehr, und ein frischer Luftzug zeigte mir, dass ich mich nicht mehr in der Höhle befand. Schnell schlug ich die Augen auf, und erkannte, dass ich auf erdigem Boden lag. Eilig rappelte ich mich auf und versuchte mich zu orientieren. Vor mir standen SternenClankatzen. Nicht ein oder zwei - nein, viele...
Sehr viele... Etwas eingeschüchtert stand ich vor ihnen und wartete ab, was nun passieren würde.
Geboren und aufgewachsen im Clan, den dir bestimmten Weg aus den Augen verloren, vor dem scheinbar Unmöglichen geflohen. Auf der Suche nach deinem Ziel durch die Welt geirrt, doch du hast es gefunden. Du bist zurückgekehrt zu der Aufgabe, die das Schicksal für dich bestimmt hat, hörte ich ein Murmeln durch die Reihen gehen.
Bernsteinfleck, bist du bereit, dein Leben hinter dir zu lassen, und mit neun neuen Leben des SternenClans deinen Clan bis zum Ende zu führen, zu lieben?
Ich zögerte nicht, sondern nickte, auch wenn ich ein leichtes Zittern nicht unterdrücken konnte. Ich bin bereit, miaute ich mit fester Stimme.
Ein Kater trat aus der Menge der Katzen hervor. Durch das Sternenfell brauchte ich einen kurzen Moment, um ihn zu erkennen, dann riss ich die Augen auf. Flammentatze! hauchte ich ungläubig. Mein Vater stand vor mir. Er, der im Kampf gegen den WipfelClan sein Leben gelassen hatte. Er lächelte mich warm an, dann sprach er mit tiefer Stimme: Mit diesem Leben gebe ich dir den Mut. Nutze ihn stets, um deinen Clan bestmöglich zu verteidigen!
Er legte mir die Schnauze auf den Kopf, und ich erwartete die Wärme, die ich in solchen Moment immer gespürt hatte. Doch stattdessen durchzuckte mich der schmerzhafte Blitz des Mutes und ich drohte kurz, das Gleichgewicht zu verlieren. Verängstigt starrte ich ihn an. Sind die nächsten 8 Leben genauso schmerzhaft? Doch er lächelte nur aufmunternd. Es stach in meinem Herzen. Du fehlst mir... Aber ich werde dich rächen, hauchte ich zittrig. Er antwortete nicht, doch sein Lächeln wirkte traurig. Dann trat er zurück. Ich blickte ihm nach, doch er verschwand in der Katzenmenge.
Eine weitere Katze trat hervor und ich wandte den Blick etwas widerwillig dieser zu. Es war Birkenstern, mein ehemaliger Anführer. Ich hatte ihn respektiert, verehrt. Bis ich den Clan verlassen hatte. Er war alt gewesen und meiner Meinung nach hatte er falsche Entscheidungen getroffen. Dennoch, ich respektierte den Kater.
Erwartungsvoll blickte ich ihn an. Ernst trat er vor mich.
Mit diesem Leben gebe ich dir die Gerechtigkeit. Denke immer daran, bevor die Entscheidungen über andere triffst, miaute er ebenso ernst wie sein Gesicht war. Lange schaute er mich an, ehe er mir die Nase auf den Kopf legte. Abermals zuckte ein Schmerz durch meinen Körper, aber er war anders. Während der vorige wie Feuer gebrannt hatte, fühlte sich dieser wie ein Wasserschwall an. Tief atmete ich durch, und versuchte, meine Glieder unter Kontrolle zu halten.
Ich bin froh, dass du Tausterns und meine Nachfolge antrittst, brummte er sanft, dann trat der Kater zurück.
Ich sah mich unter den Katzen um. Wer würde mir mein nächstes Leben geben? Und vor allem, würde es ebenso schmerzen?
Zwei Katzen traten hervor, und ich fing an zu strahlen. Es waren Abendseele und Smaragdblitz, die Eltern meiner Mutter Bachglanz, meine Großeltern. Sie lächelten mich wohlwollend an.
Wir wussten, dass aus dir eines Tages Großes werden würde, Kleines, miaute die schildpattfarbene Kätzin stolz, dann führte Abendseele, dessen Augen ich ganz klar geerbt hatte, die Worte fort.
Mit diesem Leben geben wir dir Liebe und Mitgefühl. Sei stets für die Katzen um dich herum da, und vergiss niemals: Es gibt keine stärkere Macht, als diese, sprach er sanft, dann legten die beiden mir die Nase auf den Kopf, wobei ich spürte, dass auch die beiden sich berührten. Ich machte mich auf das schlimmste gefasst, doch dieses Mal war es wie ein kitzelnder Sonnenstrahl, der meine Nase umspielte. Die beiden wollten zurücktreten. Wo ist Bachglanz? fragte ich hastig, bevor die beiden verschwinden konnten. Die beiden drehten sich nochmals um, ihre Züge wurden traurig.
Wir wissen es leider nicht... Sie ist noch nicht im SternenClan, miaute Smaragdblitz entschuldigend, dann verschwanden sie. Niedergeschlagen blickte ich ihnen nach, während ich auf das nächste Leben wartete.

Ich nahm die zwei nächsten Leben von unbekannten Katzen entgegen, dennoch hingen sie offenbar recht eng mit mir zusammen. Beiden hörte ich aufmerksam zu, und stemmte die Pfoten in die Erde, als mich der Blitz der Entschlossenheit, der Treue und Loyalität trafen. Besonders letzterer schmerzte, doch zugleich fühlte er sich warm an.
Eine weitere Katze trat nun vor, welche ich nicht kannte. Fragend blickte ich diese an.
Ich grüße dich, Bernsteinfleck, miaute die silbergraue Kätzin, die Taustern etwas ähnlich sah. Jemand aus ihrer Familie? Meine Vermutungen wurden unterbrochen, als sie weitersprach.
Mein Name ist Wasser, du wirst ihn als Junges oft gehört haben, stellte sie sich vor. Wasser?? DIE Wasser? Urgründerin des WasserClans? Meine allererste Ahnin? Meine Augen weiteten sich und ehrfürchtig knickte ich mit den Beinen etwas ein. Sie lächelte nur warmherzig, dann sprach sie weiter.
Mit diesem Leben gebe ich dir die Hoffnung und den Glauben. Du wirst beides brauchen, wenn du den WasserClan dorthin führen willst, wo er meinen Visionen gerecht wird! Fest blickte sie mir in die Augen, und ich bekam etwas Angst, als mir klar wurde, dass der SternenClan Großes von mir erwartete…
Sie legte mir die Nase auf den Kopf, und es war wie ein Windstoß, der mich durchfuhr, und nahezu von den Füßen riss.
Nach einem letzten, durchdringenden Blick, trat die Gründerin zurück.
Ich hoffe, du achtest heutzutage mehr darauf, wie du dich im Heilerbau bewegst! miaute eine amüsierte Stimme. Ein weißer Kater trat vor, und durchbohrte mich mit seinen eisblauen Augen.
Schneefall! Verzeih meinem Ungeschick, ich war jung- wollte ich mich verteidigen, denn natürlich erinnerte ich mich daran, wie ich den Heilerbau in meiner Jungenzeit bei einem Spielkampf verwüstet hatte. Doch er grinste nur.
Vergeben und vergessen, meine Liebe. Auch ich möchte dir ein Leben mit auf den Weg geben. Ich gebe dir das Leben des Friedens. Die vier Clans haben sich in Frieden geschlossen und fortan immer wieder zu diesem zurückgefunden. Nun bist auch du für die Bewahrung des Friedens zuständig. Im Clan wie außerhalb! sprach er feierlich und legte mir die Nase auf den Kopf, wie schon ein paar Mal heute Nacht!
Ich zählte innerlich nach. Mut, Gerechtigkeit, Liebe und Mitgefühl, Entschlossenheit, Treue und Loyalität, Hoffnung und Glauben, Frieden… Fehlen noch zwei!
Das Leben des Friedens war wie eine kühle, angenehme Brise in der Blattgrüne, und ich atmete auf. So konnte es weitergehen!
Der Heiler aus meiner damaligen Zeit beim Clan trat zurück und ließ Platz für die vorletzte Katze. Es war Mondschatten, der 2. Anführer vor Taustern.
Auch wenn du keinen üblichen Weg gegangen bist, und niemals zweite Anführerin warst, ja nicht mal einen Schüler hattest! Ich weiß, dass du bereit bist! Du wurdest von einer 2. Anführerin, einer Anführerin ausgebildet. Und diese war ebenso gut ausgebildet, denn sie war meine Schülerin. Du hast alles gelernt, um eine Anführerin zu werden, die des WasserClans würdig ist! miaute der dunkelgraue Kater stolz.
Mit diesem Leben gebe ich dir die Weisheit und die Fähigkeit zu lehren! Du hast von manchen der Besten gelernt. Sorge dafür, dass dieses Wissen und diese Weisheit auch den nächsten Generationen zu Teil wird!
Auch er legte mir die Nase auf den Kopf, und eine nahezu schmerzhaft ruhige Energie durchfuhr mich, doch zugleich beruhigte sie mein Innerstes. Mit Fassung und zugleich gerührt blickte ich zu Mondschatten, welcher nun zurücktrat. Noch eins..!
Ich blickte mich nach der letzten verbleibenden Katze um.

Das letzte Leben traf mich vorbereitet, doch es machte es nicht weniger qualvoll. Die Stärke und Kraft überrollte mich nahezu und ich taumelte rückwärts. Kurz tanzten Sterne vor meinen Augen und ich musste blinzeln. Die neun Leben die ich bekommen hatte flossen durch meine Adern und pochten, als würde ich gleich zerspringen. Ich fühlte mich mächtig, erschöpft und weise zugleich.
Die Stimme von Wasser erklang abermals. Es ist vollbracht. Dein altes Leben ist nicht mehr, dafür sind es neue, neun an der Zahl! Von heute an, bis an dein Lebensende, ist es deine Aufgabe den WasserClan zu schützen, die Jungen und Alten, die Starken und Schwachen. Ehre deinen Clan und sorge für den Zusammenhalt, mit der Macht und Hilfe des SternenClans! Wir wollen die heute Nacht ehren, mit deinem neuen Namen!
Bernsteinstern! Bernsteinstern!
Gebannt lauschte ich Wassers Worten und wuchs ein kleines Stück, als die SternenClankatzen meinen Namen riefen. Es war geschehen. Ich war eine vollwertige Anführerin. Etwas, wovon ich als Junges geträumt hatte. Der WasserClan war nun meine Verantwortung. Ich schluckte, während ich beobachtete, wie die Katzen eine nach der anderen verschwanden.